Der legendäre „Würker“

Würker

Besonders erfolgreiche Maschinen werden oft mit dem Synonym des Herstellers versehen. Man kennt das von der „Singer“-Nähmaschine, vom Apple-PC „Mac“, vom „Tempo“-Taschentuch oder eben vom „Würker“-Stickautomat.

Der „Würker“ gilt als die Urform aller Mehrkopf-Stickautomaten. Die Mustersteuerung erfolgt dabei mit einem 68 mm Lochstreifen. Er ist das technologische Bindeglied zur automatisierten Kleinstickerei, die heute digitalisiert ist. Mit ihm konnten erstmalig identische Kleinserien unterschiedlicher Muster wie Monogramme, Embleme, Applikationen gestickt werden.

Es hatte bereits um 1900 nicht an Versuchen gefehlt, Stickereien in Kleinserien herzustellen. Hierbei erfolgte die Mustersteuerung stets über einen Pantograf. Besonders erfolgreich war die Firma Singer. Sie stellte ab 1911 eine Sechs-Kopf-Stickmaschine mit Pantografen-Steuerung her. Deren Produktion wurde Ende der 1930er Jahre eingestellt, da man in der Pantografen-Steuerung keine Perspektive sah.

Während sich an der Großstickmaschine die Lochkartensteuerung längst durchgesetzt hatte, gab es kaum Bemühungen Kleinstickmaschinen zu automatisieren. Es verwundert nicht, dass es gerade ein VOMAG-Ingenieur war, der sich diesem Problem annahm. Der Plauener Max Bretschneider tüftelte zu Beginn der 1920er Jahre an einer Lochkartensteuerung für die Kleinstickmaschine. Unterstützt wurde er dabei von Franz Josef Gahlert, einem in Bärenstein/Erzgeb. ansässigen Stickerei- und Textilfabrikant. Gahlert war möglicherweise sogar der Ideengeber, da er bereits im Mai 1921 ein Patent für eine „Automatische Einnadelstickmaschine“ (D.R.P. Nr. 360752) eingereicht hatte. Patente zu der dann gemeinsam weiterentwickelten Maschine, die nun beide Tüftler benennen, erschienen 1925.

Gern hätte Bretschneider seine Erfindung in Plauen gemeinsam mit der VOMAG zur Marktreife entwickelt. Doch dort winkte man ab, kein Interesse!
Schließlich fand Bretschneider in der Würker GmbH, Dresden, einen Förderer des Projektes. Die Firma stellte damals Zickzack-Nähmaschinen und Knopflochautomaten her. Der Geschäftsführer Karl Eduard Würker (1873-1945) erkannte das Potential dieser Erfindung und holte Bretschneider 1925 nach Dresden. Gemeinsam mit dem Ingenieur Max Scheibel wurde bei der Würker GmbH nun der Prototyp einer automatischen Kleinstickmaschine entwickelt. Das Ergebnis war eine Dreikopf-Stickmaschine mit Lochbandsteuerung deren erstes Modell 1926 gebaut wurde. Im Patent „Mehrköpfige automatische Stickmaschine mit einem Stickrahmenträger“ (D.R.P. Nr. 566392) ließ sich die Firma Würker im Februar 1931 die Mehrkopfstickmaschine umfassend schützen.

Später vermarktete die Würker GmbH zwei Modelle der Dreikopf-Stickmaschine mit Stichlängen von 4,0 mm (Modell 5) und 6,6 mm (Modell 7). Der Erfolg dieser ersten automatisierten Kleinstickmaschinen war überwältigend. Bis 1940 wurden ca. 4.000 Würker-Automaten hergestellt. In den 1930er Jahren wurde die Würker GmbH in Würker-Stickautomatenfabrik umbenannt und allmählich bürgerte sich der Name „Würker“ für diese legendäre Stickmaschine ein.

Nach dem Krieg wurde die Würker-Stickautomatenfabrik im Zuge von Reparationsforderungen vollständig demontiert. Nach dem Tod von Karl Eduard Würker im April 1945 und dem Weggang seines Sohnes Heinz nach Westdeutschland erfolgte die Enteignung und vorläufige Umbenennung in VEB Stickautomatenfabrik, Dresden.
Die Startbedingungen für den „Würker“ waren nach dem Krieg denkbar schlecht. Dennoch erlebte der Kleinstickautomat sowohl in der DDR, wie auch in Westdeutschland eine ungeahnte Renaissance. In leicht veränderter Form wurden in der DDR die Maschinen in den 1950er Jahren im VEB Spezialnähmaschinenwerk, Limbach, in den Varianten 3- und 4-Kopf-Stickautomat wieder produziert. Auch in Westdeutschland lebte der „Würker“ weiter. Dort stellte die Firma Zangs ab 1951 einen Mehrkopf-Stickautomat nach dem Vorbild des Würker-Automaten her.
Das Konzept des legendären „Würkers“ findet man bis heute in der modernen Mehrkopfstickerei mit teilweise über 40 digital gesteuerten Stickköpfen je Maschine.

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