Musterkarten für den „Würker“

Musterkarten Würker

Als Max Bretschneider und Franz Josef Gahlert Anfang der 1920er Jahre die erste automatische Kleinstickmaschine entwickelten (siehe: Der legendäre „Würker“), standen die Erfahrungen der VOMAG Pate. Bretschneider war als VOMAG-Ingenieur seit Jahren mit den Großstickautomaten des Plauener Maschinenbauers bestens vertraut.
Auch Gahlert war kein unbeschriebenes Blatt. Er hatte 1911 zu seiner bestehenden Firma Franz Gahlert & Söhne in Weipert (CZ) eine Niederlassung in Bärenstein/Erzgeb. gegründet, die ausgefallene Stickereien herstellte. Gahlert hielt weit über hundert Patente zu technischen Lösungen der Textilindustrie. Allein mit Bretschneider hatte er an die 20 nationale und internationale Patente. Hiervon war der Kleinstickautomat nur eine Erfindung, die später recht bedeutend werden sollte.

Ab 1925 entwickelte Max Bretschneider bei der Firma Würker in Dresden den Kleinstickautomat zu einem produktiven Dreikopf-Stickautomat weiter. Um Gewerbetreibende für diese Stickmaschine zu interessieren, musste sie anwenderfreundlich sein. Bretschneider war klar, dass die aufwändige Lochkartenerstellung, wie sie für VOMAG-Stickautomaten üblich ist, nicht problemlos auf kleine Mehrkopfstickmaschinen übertragen werden kann. So ging er bei den Musterkarten für den Würker einen anderen, für die damalige Zeit ungewöhnlichen Weg.
Zuerst verringerte er das 164-mm-Format der VOMAG-Lochkarte auf die Größe von 68 mm, da der Kleinstickautomat deutlich weniger Steuerbefehle benötigt. Doch die eigentliche Idee war, die Musterkarten in einem zentralen Musterbüro herstellen zu lassen. Der Kunde eines „Würkers“ sollte sich ausschließlich auf die Stickerei konzentrieren. Entwurf und Fertigung der Musterkarten sollten nach Kundenwunsch in Dienstleistung erfolgen.

Bretschneider besprach die Idee mit seinem Plauener Schulfreund Paul Gunold. Mit Unterstützung der Firma Würker gründete Gunold 1927 in Plauen ein Zeichenatelier für den Entwurf und die Herstellung von Musterkarten für die Dreikopf-Stickmaschine. Die damals im Zeichenbüro Gunold in der Karolastraße 27 gefertigten Musterkarten trugen in den 1930er Jahren wesentlich zur Verbreitung des „Würkers“ bei. Doch mit dem Krieg kam auch das Ende des Plauener Musterbüros.

Gunold ging 1949 nach Westdeutschland. Es gelang ihm, Musterbretter sowie Punch- und Repetiertechnik für 68-mm-Karten mitzunehmen, so dass er seine Arbeit in Stockstadt/Main fortsetzen konnte. Nach dem Tod von Paul Gunold übernahm sein Sohn Heinz das Zeichenatelier. Er entwickelte das Unternehmen in den 1950er Jahren zu einem führenden Hersteller von Stickprogrammen auf Basis der 68-mm-Lochkarte weiter. Die Firma Gunold GmbH ist bis heute vor allem im Stickereibedarf und Garnvertrieb tätig.

In der DDR bemühte man sich nach dem Weggang von Paul Gunold um Ersatz. Vorerst wurden Musterkarten in Dresden beim Würker-Nachfolger, dem VEB Stickautomatenfabrik, hergestellt. Schon bald lagerte man die Kartenherstellung nach Limbach-Oberfrohna aus, wobei die Musterzeichnungen stets von der Firma Diersch & Schmidt in Eibenstock erstellt wurden. Schließlich zentralisierte man Entwurf und Kartenherstellung für die 68-mm-Karten in Eibenstock. Das war eine Lösung, die bis 1990 Bestand hatte. Der Familienbetrieb Diersch & Schmidt, der auf eine lange Tradition in der Klein- und Fahnenstickerei zurückblicken kann, ist bis heute in Eibenstock ansässig. Die 68-mm-Musterkarte ist dagegen vollständig von der digitalen Steuerung abgelöst worden.

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