Die Entstehung der Schiffli-Maschine

Schiffli-Stickmaschine

Im Dezember 1899 wurde vor der Mittwochsgesellschaft Goßau (Schweiz) ein denkwürdiger Vortrag gehalten. Referent war Isaak Gröbli (1822-1917), er sprach über die Entstehung der Schiffli- (Schiffchen-)Stickmaschine. 35 Jahre zuvor hatte er mit der Erfindung der Schiffli-Maschine eine neue Ära in der maschinellen Stickerei eingeleitet.

Zu Beginn der 1860er Jahre erlebte die Handstickmaschine ihren Siegeszug in der Stickerei. Mit ihr war man in der Lage verschiedene Plattstich-Stickereien (u.a. Kreuz-, Festonier- Hohl- oder Hexenstich) herzustellen. Darüber hinaus konnte man 150-200 gestickte Musterelemente in einem Arbeitsgang produzieren, ein enormer Produktivitätsgewinn gegenüber der Handarbeit. Niemand ahnte, dass schon bald eine neue Maschine die klassische Plattstich-Sticktechnik in Frage stellen sollte.

Isaak Gröbli, der aus der Weberei kam, interessierte sich für alle technischen Neuerungen im Textilgewerbe seiner Zeit. So auch für die ersten Nähmaschinen, die um 1850 aus Amerika nach Europa kamen. Fasziniert von der Stickerei, stellte er sich die Frage, ob die schnell und präzise laufende Nähmaschine mit der langsamen Handstickmaschine kombiniert werden könnte. Nachdem dies unmöglich erschien, reifte die Idee, das Prinzip der Nähmaschine für die Stickerei nutzbar zu machen. Die Bildung des Stickstiches sollte nun als Doppelsteppstich mit zwei Fäden auf Garnspulen ausgeführt werden, das war ungewöhnlich für die damalige Stickerei.

Gröbli baute ein Modell, mit dem er erste Stickereien im Doppelsteppstich-Verfahren herstellen konnte. Das Ergebnis war durchaus vorzeigbar, was die Suche nach potentiellen Investoren erleichterte. Eine erste größere Versuchsmaschine mit 24 Nadeln konnte Anfang 1864 fertiggestellt werden. Damit begann die eigentliche Arbeit zur Verbesserung der neuen Stickmaschine, u.a. der Nadeln, des Schiffchens und des Zusammenwirkens aller Bauteile. Inzwischen konnte auch die Maschinenfabrik J. J. Rieter & Co. in Winterthur für die Unterstützung des Vorhabens gewonnen werden.

Nach vielen Versuchen und Verbesserungen wurde 1865 eine erste Schiffchen-Stickmaschine bei Rieter & Co. gebaut, der im gleichen Jahr drei weitere folgten. Anfänglich war es schwer, für die sogenannte „Schiffli-Ware“ Käufer zu finden, da sich das Stickbild von klassischer Plattstich-Stickerei deutlich unterscheidet. Dennoch fand die neue Entwicklung zunehmend Aufmerksamkeit, und so erhielt Schiffli-Ware bei der Pariser Weltausstellung 1867 eine „Anerkennungs-Medaille“. Ein weiterer Achtungserfolg war die Fortschritts-Metaille auf der Wiener Weltausstellung 1873 für eine Stickerei in Wülflingen/Winterthur mit auf Schiffchen-Stickmaschinen erzeugter Ware. Allmählich entwickelte sich die „Schiffli-Ware“ zu einem Standardartikel in der Stickerei.

Ende der 1870er Jahre begannen nun auch andere Maschinenbauer Schiffchen-Stickmaschinen herzustellen, so neben der Firma Rieter auch die Schweizer Firmen Saurer und Martini. 1883 folgte die Maschinenfabrik Kappel (Chemnitz) und 1884 die Fabrik J. C. & H. Dietrich in Plauen. Damit hatte sich die Schiffchen-Stickerei endgültig etabliert. Als Isaak Gröbli 1899 seinen Vortrag hielt, waren bereits über 2000 Schiffchen-Stickmaschinen weltweit im Einsatz. Mit der damals beginnenden Automatisierung sollte die Schiffchen-Stickmaschine eine weitere Vervollkommnung erfahren.

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