Spitzenmuster – Spitzenmode

Spitzenmode, Spitzenmuster

Mit der Einführung der Schiffchenstickmaschine in Plauen konnten ab 1883 technisch anspruchsvolle Muster mit der Maschine ausgeführt werden. Auch die neuen Tüll- und Ätzsspitzen erschlossen der Branche völlig neu Muster und zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit. Durch die maschinelle Herstellung sanken gleichzeitig die Preise für Stickerei und Spitze, so dass die Erzeugnisse für den Massenmarkt interessant wurden.
Dennoch war und ist Spitze ein Luxusprodukt. So gehörte es zum Geschäft der Spitzenhändler, aktuelle Modetrends rechtzeitig zu erkennen und zu bedienen.

Spitzenhersteller und Handelshäuser, die um 1900 Spitzen-Neuheiten (Nouveautés) anboten, konnten gerade in der Haute Couture enorme Gewinne erzielen – aber auch viel verlieren. Zwar wurden die Designs in Plauen entwickelt und hergestellt, die Modetrends kamen jedoch aus Paris, New York oder Wien. Deshalb pflegten die Plauener Spitzenfirmen und Handelshäuser intensive Geschäftskontakte zu den Modemetropolen, oft unterhielt man eigene Handelsvertretungen. Die Anbieter von Nouveautés versuchten die Risiken zu minimieren, indem sie intensiv die Modezeitschriften und die Angebote internationaler Musterdienste studierten, um aktuelle Trends zu erkennen. Da Muster von Konkurrenten häufig kopiert wurden, war Geheimhaltung oberstes Gebot. Gleichermaßen mussten Nouveauté-Fabrikanten sehr schnell auf die Bedürfnisse des wechselhaften Modemarktes reagieren.

Gerade um 1900 trafen in der Mode zwei Stilepochen aufeinander. Einerseits gab es traditionelle Spitzen-Designs, die sich am Historismus orientierten, andererseits bemühten sich junge Dessinateure (Musterzeichner) um moderne, vom Jugendstil inspirierte Spitzen-Designs. Sie wurden unter der Herkunftsbezeichnung „Plauener Phantasiespitze“ bekannt. Neben den stilistischen Entwicklungen reizte man die technischen Möglichkeiten der Stickmaschine immer weiter aus. So stickte man Spitzen mit Struktur- und Reliefcharakter oder kombinierte Tüll- mit Luftspitzen.

Wegen all dieser Herausforderungen entstanden zwischen 1885 und 1913 in Plauen sehr viele Designs in Tüll- und Ätzspitze, die sich recht erfolgreich auf internationalen Messen und Märkten behaupten konnten. Wesentlichen Anteil an der Musterentwicklung hatte die Ausbildung von Dessinateuren an der Königlichen Industrieschule, ab 1903 Kunstschule für Textilindustrie Plauen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Konkurrenz und häufig wechselnde Moden die Kosten für die Musterentwicklung in die Höhe trieben, betrug deren Kostenanteil am Erzeugnis vor 1900 noch 8-10%, stieg er danach auf 10-15%. Bereits nach 1913 endete auch bei der Musterentwicklung dieser Höhenflug der Plauener Spitze.

In den Sammlungsbeständen des Vogtlandmuseums und der Schaustickerei befinden sich zahlreiche Entwürfe, Musterbücher und Musterkarten bedeutender Plauener Spitzenfabriken und Musterzeichnerbüros dieser Zeit. Hierzu gehören u.a. Muster der Firmen W. Berkling, F. Seidel, E. Schmalfuß & Söhne (Falkenstein), G. Baier (Pausa) sowie Mustersammlungen von Nouveautés des Musterbüros Michaelis & Feiler aus den Jahren 1890-1912 und der Firma Gebrüder Lay aus den Jahren 1906-1914.

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